Sind ihnen neben den vielen abenteuerlichen, selbstgebastelten Mundschutzmasken auch schon die unzähligen grauen Haaransätze und rausgewachsenen Frisuren ihrer Mitmenschen aufgefallen? Nicht jeder wohnt mit einem Friseur oder einer Friseurin zusammen. Wie wirkt sich das wohl langfristig auf unser Wohlbefinden aus? Mein Äußeres sollte mir derzeit nicht so wichtig sein, es gibt Wichtigeres. Ich nehme Abstand von einer schönen Fassade, trage Mütze und Mundschutz und treffe sowieso kaum noch jemanden, den ich kenne. Bei der Videokonferenz achte ich auf schummrige Beleuchtung.
Die Situation geht uns nah aber unsere Freunde, Mütter, Väter, Omas und Opas dürfen uns nicht zu nahekommen.
Wir kaufen ein und halten dabei Abstand, wir unterhalten uns laut auf Abstand, wir verstecken die Ostereier demnächst im Schuhschrank oder im Freien für irgendjemanden, spazieren zu zweit auf breiten Wegen und sind verunsichert, wohin der Weg uns führt. Wir haben Abstand gewonnen zum Leben wie wir es bisher kannten. Hin und wieder frage ich mich, ob dieser Abstand von Dauer sein wird.
Manchmal tut Abstand aber auch einfach gut, er lässt uns durchatmen gibt uns Zeit zum Nach- und eventuellen Umdenken, er kann die Kreativität fördern, den Blick auf die Dinge verändern, befreien. Wie wird das Leben Ostern 2022 aussehen? Lasst uns positive Utopien entwerfen.
Abstand kann auch einsam und krank machen – ja, genau wie der nicht eingehaltene Abstand! Nähe ist doch eigentlich der Schlüssel zum Leben, keine Nähe kann töten … Die vermeintliche, künstlich hergestellte Nähe des Videoanrufes ist damit nicht gemeint, auch wenn er für mich derzeit eine passable Krücke darstellt, die Lieben wenigstens zu sehen, berühren und riechen kann ich sie nicht.
Wie kann ich die Zeit und die Lücke, die zwischen mir und den anderen entstanden ist, sinnvoll füllen, wenn ich nicht mit Homeoffice, Kinderbetreuung und/oder Existenzangst genug zu tun habe? Alte Hobbys kultivieren, endlich ein Buch schreiben, anderen Helfen, ein Auge auf andere haben (wehe dem, der solche Nachbarn hat), endlich kochen und backen lernen, sich auf die Gartenarbeit stürzen, Monopoly oder Siedler spielen, Schlange stehen oder sich auf die Jagd nach dem heiligen Klopapier begeben (Übrigens in Frankreich sind Kondome ausverkauft!), Atemschutzmasken nähen oder aus Frischhaltefolie basteln … Mir hat gerade heute eine Dame erzählt, dass das ganz großartig funktioniere, da ginge nichts hinein und nichts käme heraus (!?) und man könne sie auch prima reinigen!
Wer Kernfamilie hat und nicht allein wohnt, kann sich derzeit glücklich schätzen, so hat er doch jemanden zum Berühren, Herzen, Küssen und Fantasieren im Zweifel aber auch zum Streiten und Abreagieren.
Niemand hat gesagt, dass das Leben immer einfach ist und nichts bleibt ewig gleich. Mit Abstand betrachtet, muss ich sagen, nehme ich sie an, die Herausforderungen der neuen Zeit. Tag für Tag neu und hoffe darauf, dass abends, morgen, bald, irgendwann oder am Ende etwas Neues und Gutes dabei herauskommt.
Think positively, ich tue es auch und das ist mit Abstand das Beste, was ich tun kann!
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